RADG 09: Was ist Mut

Ich fragte ihn: „Okay, aber wenn jeder Angst hat, was ist dann der beste Umgang damit?“

Er gab mir eine äußerst merkwürdige Antwort: „Alex, geh nach Hause und mach folgendes Experiment: Nimm einen Topf kochendes Wasser, lege eine Kartoffel und ein Ei hinein, lass es kochen und schau, was passiert!“ Ich wollte natürlich wissen, was er damit meinte, aber er wehrte alle meine Fragen ab und beharrte: „Mach das Experiment!“

Ich begab mich also nach Hause, fand das zwar irgendwie ziemlich doof, habe es aber trotzdem durchgezogen. Es passierte scheinbar nichts.

Also rief ich ihn an und sagte: „So, ich habe dein Experiment gemacht, und nun?“ Er sagte: „Schau mal, das ist die Antwort auf deine Frage ‚Wie geht man mit der Angst um?‘.“ Hä? Ich hatte es einfach nicht verstanden.

Er half mir dann auf die Sprünge: „Das kochende Wasser ist deine Angst. Die Kartoffel und das Ei repräsentieren die zwei Arten, wie du damit umgehen kannst.“

Ich verstand noch immer kein Wort. Er sagte: „Schau mal, das Ei ist anfangs sehr weich und verletzlich; die Kartoffel ist sehr, sehr hart.“

Er unterbrach die Leitung und legte den Hörer daneben. Zumindest schlussfolgerte ich das, denn ich wollte ihn natürlich sofort zurückrufen, um mehr zu erfahren. Es war aber einfach dauerbelegt.

Da er aber ein sehr weiser Mann war, kannte er den Unterschied zwischen Wissen und Bewusstsein. Hätte er mir die Antwort gegeben, hätte ich sie einfach zur Kenntnis genommen. Dadurch aber, dass ich mich selber damit beschäftigen musste, tat er mir durch seine scheinbare Störrigkeit einen riesigen Gefallen.

Nach einer halben Stunde verstand ich es. Wenn das kochende Wasser meine Angst war und es zwei Arten gab, darauf zu reagieren, so konnte man sich selber entscheiden, ob einen die Angst stärker macht (man ist das Ei) oder ob man sich durch die Angst „weichkochen“ lässt (man ist die Kartoffel).

Wow! Ich bin Ursache, unabhängig von den Umständen. Ich kann die Kartoffel sein oder das Ei. Durch ihn erkannte ich selbst, was wahrer Mut ist:

„Trotz Angst das zu tun, von dem man weiß, dass es richtig ist.“

Und er sollte recht behalten. Wenn man diese Definition von Mut anwandte, wurde man zum Ei. Ich begann also, es mir zur Gewohnheit
zu machen, trotz meiner Ängste die Dinge zu tun, von denen ich wusste, dass sie richtig sind, und siehe da:

Mein Selbstbewusstsein wuchs und wuchs und wuchs. Oliver Kahn hatte schon recht mit seinem Spruch: „Wir brauchen mehr Eier …“